Athletenbericht von Corinna Kalbfleisch vom 1. Marathon in Mainz am 11.05.2014
Das Glück liegt auf der Strecke
und nahm seinen Lauf beim Aschaffenburger Halbmarathon im Oktober 2013. Dieser Lauf machte so viel gute Laune, auch Dank der zahlreichen lautstarken TVG Fans, dass ich gerne noch eine weitere Runde gelaufen wäre. Das wäre vielleicht auch unfreiwillig passiert, wenn mir Zwergerl nicht beim Runden zählen geholfen hätte…Der Gedanke einen kompletten Marathon zu laufen war da zwar zum ersten Mal da, ich konnte ihn aber zu diesem Zeitpunkt noch Mal erfolgreich verdrängen. Aber irgendwie hat sich der böse Gedanke Mitte Februar wieder gemeldet, dieses Mal laut und deutlich. Dachte mir nur, jetzt oder nie! Habe mich für Ersteres entschieden.
Nun gut, habe mir dann ein schlaues Buch bestellt und mich ein bisschen eingelesen, ach um ehrlich zu sein, das Buch hat mich fasziniert und ich habe es ratzfatz gelesen, inklusive der Trainingspläne. Lesen sich ja relativ harmlos diese Pläne. Könnte also zu schaffen sein, dachte ich mir. Habe mir dann einen passenden Lauf rausgesucht. Die Wahl fiel auf den Guthenberg-Marathon am 11.Mai in Mainz. Meine Anmeldung zum Marathon habe ich am Tag des Meldeschlusses gemacht, was auch der Tag war, an dem ich mit Heike in Frankfurt beim Lufthansa-Marathon am Start war. Diese Anmeldung hat mir die erste schlaflose Nacht in diesem Projekt eingebrockt. War mir auf einmal doch nicht so sicher, ob diese Aktion so eine gute Idee war.
Mit dem Training angefangen habe ich einen Tag später – es war der 10. März. Somit blieben mir noch 9 Wochen Zeit für die Vorbereitung. Das muss reichen, auch wenn der Trainingsplan 12 Wochen vorsieht. Habe einfach die ersten drei Wochen unter den Tisch fallen lassen.
Da man mir ab und zu nachsagt, dass ich manchmal etwas faul bin (ich sehe das eher so, dass ich meinem Körper ausreichend Erholungsphasen gönne), war ich ganz froh, dass mein Trainingsplan „nur“ 3x die Woche laufen vorsieht. Meist einen LALA Lauf, einen „normalen“ Lauf und dann noch einen fiesen Pyramidenlauf. Dazu noch ein bisschen Rad fahren oder Schwimmen und Stabi-Training. So richtig zum Laufen quälen musste ich mich aber fast nie. Großen Respekt hatte ich allerdings vor dem Ersten 32 KM Lauf, den ich auch noch ganz alleine gelaufen bin. Den Respekt hatte ich vor allem davor, dass niemand zum Quasseln dabei war. Aber ich bin diesen Lauf ganz bewusst alleine laufen. Bei diesem Lauf bin ich das erste und einzige Mal mit Musik gelaufen, aber nach 3 Stunden hatte ich selbst von Bon Jovi die Nase gestrichen voll. But, I survived! Beim nächsten langen Lauf war ich heilfroh, dass Susi und Edeltrud ein gutes Stück mit mir gelaufen sind, Danke Euch beiden. War eine ganz große Hilfe für mich!
So vergingen die Wochen der Vorbereitung wie im Flug und ich hatte meist Spaß dabei. Das lag natürlich auch daran, dass es so viele nette Mitläufer/innen in Großwallstadt gibt. Ich habe immer nur von Woche zu Woche geschaut und bin brav meine Kilometer gelaufen, damit ich anschließend auf dem Trainingsplan einen weiteren Punkt abhaken durfte. Das Spaß-Gefühl wurde allerdings in den letzten beiden Trainingswochen so nach und nach von dem Selbstzweifel- Gefühl abgelöst. Das war weniger schön. Dazu hat sich noch so ein kleiner Quälgeist in meinem Kopf breit gemacht und stellte mir haufenweise doofe Fragen. Z. B. Warum machst du so einen Blödsinn? Glaubst du etwa ernsthaft dran ins Ziel zu kommen? Was haste dir bei der Anmeldung nur gedacht? Und ätsch, es gibt während des Laufes sicherlich kein Mauseloch in das du dich verkrümeln kannst. In dieser Phase habe ich den Quälgeist ständig versucht, davon zu überzeugen, dass ich es schaffen werde und es auch kein Zurück mehr gibt und dass er mal bitte seine Klappe halten soll. Unverschämterweise hat sich der Quälgeist auch nicht davon beeindrucken lassen, dass mir ganz viele liebe nette Freunde versichert haben, dass ich es schaffen werde. So blieb er halt bis zum Schluss bei mir. Im Nachhinein bin ich mir auch sicher, dass genau dieser Quälgeist mir eine Pseudo-Erkältung, schwere Beine und sonstige Wehwehchen mitgebracht hat. Der schafft wirklich mit allen Tricks und gehört umgehend verhaftet.
Die letzten Tage vor dem Marathon waren alles andere als schön. Ich war so wahnsinnig nervös und ich habe mich gefühlt, als könnte ich noch nicht mal 5 KM laufen. Beine schwer wie Blei. Vernünftig schlafen konnte ich auch nicht mehr. Warum tust du dir das an? Diese Frage stellte ich mir pausenlos. Ich bin schon samstags nach Mainz gefahren. Auf der Fahrt habe ich die komplette Nervosität abgelegt und gleichzeitig den Quälgeist abgehängt.
Angekommen in Mainz, habe ich mir als erstes in der Rheingoldhalle die Startunterlagen abgeholt und war natürlich auch auf der Marathonmesse. Ach du Schreck, was Menschenmassen. Trotzdem habe ich mich selten so einsam und verloren gefühlt.
Auf zum letzten Trainingslauf, schließlich wollte ich den auch abhaken dürfen. Also bin ich bei strömendem Regen losmarschiert. Dafür wurde ich vom ersten Meter an so richtig positiv überrascht. Ich bin locker flockig gelaufen, die schweren Beine der Woche waren komplett verschwunden (wohin auch immer...). Endlich kam das Gefühl wieder zurück, dass ich es doch schaffen kann. Bin einfach 6 KM durch Mainz gelaufen, gegen Ende standen noch 5x100 Meter Sprints auf dem Plan. Da ich zufällig gerade an der Lessingstraße war, dachte ich mir, da mache ich die Sprints doch gleich hier. Ist bestimmt ein gutes Zeichen, wohnen doch unsere beiden Helden Yvi und Maui auch in der Lessingstraße!
Abends alles schön brav für den Lauf vorbereitet und früh ins Bett. Aber warum soll es mir anders ergehen, wie den allermeisten anderen Läufern. Mit Schlafen war nicht viel zu machen, oh man, früher verbrachte man die schlaflosen Nächte wenigstens mit Feiern – jetzt wegen eines bevorstehenden Marathons! Hatte mir den Wecker auf 6:45 gestellt, bin aber freiwillig um kurz nach sechs aufgestanden. So war ich wenigstens rechtzeitig und ohne Stress am Startbereich.
Die Zeit bis zum Start verging wie im Flug, Kleiderbeutel abgeben, Menschmassen angucken, Dixi aufsuchen. Ratzfatz war es 9:30 und der Wahnsinn ging los.
Der Hammer war natürlich, dass ich meine weltbesten Fans (Susi, Steffi, Edeltrud, Heike und meine Mutter) direkt beim Start gesehen habe. Wir haben uns kurz abgeklatscht und spätestens da wusste ich, mir passiert heute nichts und ich konnte mich beruhigt auf meine 42 KM Reise machen. Eine Minute später kam ein erster Gruß von oben, ein Regenschauer, der sich bzw. mich gewaschen hat. Ich habe in mich reingegrinst und dachte mir nur, was solls. Es wurde zwar ein bisserl kalt, aber sonst war alles gut. Habe mich einfach in der Menschenmenge treiben lassen und dachte mir, nur nicht zu schnell laufen. Ich wurde bis ca. KM 8 links und rechts gnadenlos überholt. War mir fast sicher, dass ich bald der letzte Läufer auf der Strecke bin, aber irgendwie hat mich das so gar nicht interessiert. Schließlich hat mir Yvonne vor kurzem so was erzählt, von wegen Bienen stechen von hinten. Dann bin ich heute eben mal eine Biene.
Bis KM 15 war es für mich okay zu laufen, aber auch nicht viel mehr. Es war zumindest recht kurzweilig. Die Stimmung am Straßenrand war einfach nur genial. Die Musik war auch gut, logischerweise wurde auch das eine oder andere Faschingsstück gespielt. Und außerdem war ich ständig damit beschäftigt, den kleineren und größeren (Regen)Seen auszuweichen. Wollte ja schließlich meinen ersten Marathon laufen und nicht schwimmen. Ab KM 15 fing es an so richtig Spaß zu machen. Vorsichtig überholte ich die ersten Läufer und außerdem kam so ganz zart die Sonne durch zwischen den einzelnen Regenschauern. Und die gute Stimmung am Rand ist nicht abgerissen. Außerdem fand ich es wahnsinnig schön, einfach zu laufen ohne auf eine Zeit zu achten, sondern einfach nach Gefühl. Die Meter bis zum Ende des Halbmarathon-Laufes hörten den Schlag nicht. Zu dieser Zeit hat sich die Sonne auch richtig Mühe gegeben und ich war so richtig dankbar, dass ich mich links auf die Marathonspur einordnen durfte und nicht zum Halbmarathon-Zieleinlauf musste. War Gänsehaut pur. Von nun an wurde es wesentlich überschaubarer auf der Strecke. Ich bin so ganz unbeirrt in meinem Trott weiter marschiert. Es hat auch nicht lange gedauert, bis ich mal wieder auf die gut gelaunten Mädels in den blau/weiss/orangen Trikots gestoßen bin – ist natürlich ein tolles Gefühl. Ich glaube, nach diesem Treffen habe ich nicht mehr aufgehört zu grinsen und zu genießen. Habe nur kurz geflucht, als es die Rheinbrücke hochging, geregnet hat es natürlich auch mal wieder, meine Finger waren eiskalt, es war windig und die Sicherheitsnadel hat sich von der Startnummer gelöst. Keine Chance das irgendwie wieder vernünftig hinzubekommen. Hab dann halt bei KM 25 ein Dixi aufgesucht. Da ich schlauerweise Ersatz Sicherheitsnadeln mithatte, habe ich das mit der Startnummer dabei wieder repariert. Weiter ging es - und zwar richtig gut. Die Strecke führte durch ein Wohngebiet. Aber auch hier waren die Straßenränder gut gefüllt. Die Nachbarn standen alle schön zusammen und haben ihren Wein zusammen getrunken. Schweren Herzens habe ich abgelehnt, als mir einer angeboten wurde. Aber sollte ich jemals noch Mal da vorbei laufen, trinke ich einen mit! Nun haben sich auch die 2/3 Marathonis verabschiedet und es wurde noch mal ruhiger. Das Wetter hat sich weiterhin als sehr abwechslungsreich gezeigt, jetzt war eine kurze Graupelschauer-Phase dran. Da kamen Erinnerungen an so einen gewissen Wällschter Zipfelmützenlauf hoch. Als ich dann kurz drauf wieder über die Rheinbrücke gelaufen bin, war es so windig, dass ich gleich wieder trocken war (Prinzip Waschanlage: einmal nass machen und dann gleich wieder trocken pusten). Am Ende der Brücke, kam mir doch glatt Heike entgegen und ist mit mir zusammen ein Stückchen gelaufen. Toll endlich mal wieder jemand zum Quasseln. Die anderen Mädels waren auch bald in Sicht. Immer wieder schön, sie zu treffen.
Nun war ich schon bei KM 30 und es war immer noch easygoing. Dachte mir nur ab und an, das wird bestimmt bald bestraft. Es kann doch nicht sein, dass man nach 30 KM einfach locker und mit so viel Spaß auf der Strecke rumflaniert. Zufällig habe ich hier eine neue Lap Zeit gedrückt, deshalb weiß ich, dass ich die letzten 12 KM in 5,14 gelaufen bin. Eigentlich wollte ich schauen, ob der Puls mal wieder angezeigt wird. War natürlich nicht der Fall, aber was solls, habe die ersten 30 KM auch so überlebt. Das war gleichzeitig der Knackpunkt um an Tempo zuzulegen. Das war nicht geplant, hat sich einfach so ergeben. Habe nun unzählige Läufer überholt. Klar, hatte öfters den Gedanken, ob diese Aktion nicht überheblich ist und bald gnadenlos bestraft wird. Aber ich konnte nicht anders und außerdem hatte ich ganz tief drinnen das Gefühl, das geht klar und mir passiert nix. Hatte in meinem schlauen Buch gelesen, man soll sich ab KM 32 einen starken Läufer suchen und sich an den dran hängen. Habe ein Weilchen erfolglos gesucht und niemanden entdeckt. Habe mich somit aufs Überholen von diversen Läufern konzentriert. So langsam habe ich dann doch Mal auf meine Zeit und aufs Tempo geschaut. Wobei ja mein eigentliches Ziel hieß, ankommen und lächelnd ins Ziel einlaufen. Nun witterte ich aber ich die Chance, zusätzlich unter 4 Stunden einzulaufen, ohne dass Spaß oder Lächeln gefährdet sind. Also ab geht’s und kräftig auf´s Gas drücken. Hab zwar ab und zu mal an den Mann mit dem Hammer gedacht, habe aber gemerkt, dass er sehr weit von mir entfernt ist. War mir sicher, er ist ein Weichei und geht bei Regen nicht vor die Tür. Zusätzlich motiviert wurde ich von den vielen Kommentaren der Zuschauer, so á la das sieht ja noch locker aus, du läufst super etc. War froh und gleichzeitig traurig, dass das Ziel nun greifbar nahe war. Klar, irgendwann will man ja mal ankommen, aber auf der anderen Seite, hat es so gute Laune gemacht, auf dieser tollen Strecke mit so vielen geilen Zuschauern zu laufen. Aber alles hat nun mal ein Ende. Und außerdem wusste ich ja, dass am Ziel die Mädels auf mich warten. Wir haben uns auch gleich gefunden. Und es war alles toll! Musste auch nur ganz kurz weinen vor Glück, als ich meinen ersten Marathon gefinished hatte.
Jetzt ist es schon einige Stündchen her, dass ich etwas geschafft habe, wovon ich lange Zeit dachte, ich schaff das nie. Vermutlich war ich da eh die Einzige, alle anderen wussten das schon eher, dass es machbar ist. Auch wenn ich es sicher noch nicht ganz verinnerlicht habe, was ich da heute gemacht habe, weiß ich auf jeden Fall schon jetzt, es war geil! Bin mir aber sicher, ich werde nie verstehen, wie das funktioniert hat, dass ich so locker und ohne Schmerzen ins Ziel einlaufen konnte. Danke allen, die mich dabei unterstützt haben.