Bericht Austria Extrem Triathlon 2018 von Christian Haas
Mit einem kleinen zeitlichen Abstand wollte ich jetzt meinen Athletenbericht schreiben.
Jetzt einige Tage nach dem Raceday auf denn ich so lange hin gearbeitet habe realisiere ich meinen Erfolg. Danke für die ganzen Glückwünsche, die ich bekommen habe. Der Austria Extrem Triathlon war bis jetzt mein schönstes Ausdauersport Erlebnis gewesen.
Aber von Anfang an…………
Als ich 2014 am Swissman teilnahm und dort nicht die Cut off Zeit schaffte und 8km vor dem Ziel aus Sicherheitsgründen aus dem Rennen genommen worden bin. Wurmte mich es doch die ganzen letzten 4 Jahre noch mal so eine Distanz mit den unheimlichen vielen Höhenmeter finishen zu können. Ich wusste immer ich könnte es schaffen. Ich habe immer an mich geglaubt und nie die Hoffnung verloren. Nach meinem Scheitern wollte ich es unbedingt noch mal versuchen ich wollte es mir selber beweisen. Aber gleichzeitig wusste ich, um dieses Mal nicht wieder zu scheitern, musste ich mir einen richtigen Plan machen.
Ich brauchte auf jeden Fall jemanden, der mich trainiert kann. Mit Heiko Gerhart wusste ich, dass ich einen akribischen Sportler in unserer Ausdauerabteilung Großwallstadt kenne. Kurzerhand fragte ich ihn, ob er mich für das Projekt coachen würde, mehr als nein oder ja konnte er ja nicht sagen. Er überlegte nicht lange und gab mir sein okay, „dass wir das Ding rocken werden“.
Daraufhin habe ich mein Rad auf mich und die Berge abstimmen lassen. Kleineres Ritzel anderer Vorbau. Schuheinlagen mussten her, damit ich nicht so ermüdet ins Training nach der Arbeit gehen würde. 4 Wochen im Vorfeld plante ich mit meiner Freundin in der Region Urlaub (Ramsau am Dachstein) zu machen, um sich auf die Gegebenheiten einstellen. Eine weitere Pflichtaufgabe, war einen Supporter zu finden. Einen Unterstützer also, der mich die gesamte Strecke begleitet. Mit Stefan Klemm hatte ich das Gefühl von Anfang an den richtigen gefunden zu haben. Er lebte mein Projekt mit.
The Training:
Zum Training könnte man so viel schreiben. Aber ich möchte mich kurzhalten. Mit viel Know–how und Einfühlungsvermögen baute Heiko die Pläne auf mich auf. Ich merkte wie ich Stück für Stück besser wurde und mein Körper und Kopf auf das Training reagierte.
Natürlich befolgte ich seine Pläne streng. Ich wollte ihn schließlich nicht enttäuschen. So kamen infolge seit November 2017 108km Schwimmkilometer, 4000km Rad und 800 Laufkilometer. Nicht zuletzt seien die unzählige Stabi–Einheiten vor dem Fernseher zusammen erwähnt, denn ja auch dort kann man trainieren.
The Racebriefing (Friday):
Endlich, nach 7 Monaten Vorbereitungszeit, stand ich in Graz beim Racebriefing. Auf diesem Tag hatte ich so lange hingearbeitet. Endlich kam der Wettkampf, die Belohnung für die letzten intensiven Trainingsmonate. Endlich konnte ich das abrufen was ich mir angeeignet hatte und meine Ausdauer, mentaler Stärke, Kraft und Willensstärke unter Beweis stellen.
Als wäre die Luft in der Sporthalle im positiven Sinne elektronisch aufgeladen, so fühlte es sich an als man die Halle betrat. Ein wohliges Knistern unter allen Sportlern und Organisatoren. Hier wird Ausdauersport geliebt und gelebt. Alle waren im Flow. An keinem Ort der Welt hätte ich in diesem Moment lieber sein wollen.
Graz ist ein sehr schöner Ort, um diesen Point to Point Wettkampf starten zulassen. Die Veranstaltung war bis ins kleinste Detail perfekt organisierte. Bevor das eigentliche Briefing überhaupt begann erhielt ich bereits eine persönliche Erklärung der Strecke von Hugo Schwarz, dem ich an diese Stelle herzlich danken möchte. Spätestens jetzt war ich voll angekommen.
The Raceday (Saturday):
2:00 Uhr morgens, der Wecker klingelte, die Nacht war vorbei. Ich war sofort hellwach. Stefan und ich machten uns auf, um an der Mur zu die Wechselzone einzurichten und somit den ersten und einfachsten der vielen an diesem Tag noch folgenden Hacken auf unserer To-Do-Liste abzuhaken.
Ich kann mich gar nicht genug bei Stefan bedanken, der mich die ganzen Tage in Österreich unterstütze. Wer denkt supporten wäre einfach nur „dabei sein“ hat weit gefehlt. Es ist harte Arbeit die Stefan leistete. Er musste überall mental dabei und sich körperlich anstrengen. Bereits im Vorfeld richtete er mit mir die Wechselzonen ein, half mir in den Neoprenanzug, verstaute das Velo und sorgte dafür, dass ich genug zu essen bekam. Es fühlte sich alles so an, als ob wir es schon zigmal geübten hatten. Es lief eins ins andere, so konnte nichts mehr schief gehen.
Es war nun 4.30 Uhr. Zweieinhalb Stunden waren Stefan und ich bereits auf den Beinen als ich plötzlich riesigen Respekt vor dem dreckbrauen Wasser und der starken Strömung hatte. „Schaffe ich die ersten 200m“, „bekomme ich vielleicht Panikattacken oder Atemnot“? 1000 Gedanken schossen mir durch den Kopf und ließen mich nicht mehr los. Kurz vor dem Start sagte ich zu Stefan: „Da gehe ich nicht rein“. Stefan war entgeistert: „Mach kein Scheiß“, waren seine Worte, an die ich mich erinnere. Jetzt war er die treibende Kraft – mein Supporter! Er ließ mir keine andere Wahl.
Durchatmen. Noch 2min bis zum Start. Spätestens jetzt mussten alle negativen Gedanken für heute verschwinden.
The Start:
Bam – Bam – Bam, die Kuhglocke ertönte.
Wie erwartet waren die ersten 200m gegen die Strömung sehr anstrengend. Ich war tierisch aufgeregt. Erst beim dritten Anlauf kam ich um die erste Boje. Gedankt sei es einem Crew Mitglied, die mir die Anweisung gab genau an eine Stelle zu schwimmen und mich von dort treiben zu lassen. Es funktionierte und damit löste sich die Anspannung. Jetzt bemerkte ich wie gut ich atmen kann, meine Züge durchziehe und trotz der braunen Brühe die Orientierung im Wasser nicht verlor. Das gute Gefühl kam zurück.
Nach 2 Kilometern musste man in der Mur vom rechten ans linke Ufer schwimmen. Davor hatte ich zuvor am meisten Angst, denn dort war das Schwimmen aufgrund der starken Strömung an anderen Tagen strikt verboten! Wie ich die Überquerung im Wettkampf schließlich geschafft habe ist mir ein Rätsel! Ich habe ein absolutes Black-out. Als hätte mein Hirn diese Erinnerung gelöscht. Nicht gelöscht habe ich hingegen die Schrecksekunde, in der ich im Wasser einen Krampf bekam. Ich fragte eine Kanufahrerin des Organisationsteams, ob sie mich einige Meter begleiten könnte, die dazu gerne bereit war. Tatsächlich konnte ich danach die verbleibenden noch 1,6 Kilometer gut gegen die Strömung ankommen und lies sogar einige Mitstreiter auf der Strecke hinter mir zurück. Nach 1 Stunde und 29 Minuten hatte ich meine Angstdisziplin hinter mir gelassen.
Bikedrive:
Aus dem Wasser raus, Stefan suchen, Neopren ausziehen, aufs Rad steigen: Alles klappte auf Anhieb. Die Aufholjagd konnte beginnen, obwohl dies heute zweitranig war und nur das Ankommen bei dieser Distanz zählt. Aber dennoch musste ich Tempo machen, weil ich bei meinem zweiten Anlauf einen Extremtriathlon zu bewältigen, nicht wieder an einem Cut-off kurz vor dem Ziel scheitern wollte.
Montags zuvor stellten Heiko, Stefan und ich bei mir zuhause einen Raceplan auf. Dort hieß es: Nach dem Schwimmen, Beine die ersten 40km finden, die Berge moderat hochfahren, das Essen nicht vergessen, die Abfahrten sicher und erholt nehmen und immer den Puls im Augen behalten.
Bam! Gegenwind – den hatte niemand bedacht. Aber genau den gab es hier und zwar unerwartet hart! Ich freute mich deshalb noch mehr als sonst zuhause über jeden zurückgelegten Höhenmeter. Ich liebe die Berge und die Natur auch dies ist ein Grund weshalb ich hier am Start stand, aber der Wind war beim Radfahren erschreckend kräftezehrend. Dann, eine erneute Schrecksekunde. Die Kette war mir heruntergesprungen. Beim Versuch anzufahren, um die Kette wieder aufzuziehen, fiel ich vom Rad. Ich hatte mich glücklicherweise nicht verletzt und ein anderer Supporter kam mir unmittelbar zur Hilfe.
Die Radstecke machte trotz der Härte und dem Fauxpas riesigen Spaß. Ehe ich mich versah hatte ich die Strecke Gaberl, Möderbrugg, Hohentauern, Oppenberg mit 210,4km und 3530hm bewältigt.
The Run:
Kurz vor dem Wechsel vom Rad zum Laufen hörte ich in meinem Körper. Hatte ich irgendwo Schmerzen? Nein. Ich fühlte mich gut – mein Körper schüttete weiterhin Dopamin in Massen aus – wie bereits am Vortag in der Sporthalle hatte ich ein Flowgefühl, ich war wie elektrisiert. Ich freute mich auf 44km Laufen bis zum Dachstein (1900hm). Klar merkte man die zurückgelegte Strecke in den Beinen, aber ich wusste, dass ich gut in der Zeit war. Nichts konnte meiner Motivation etwas anhaben.
Der Wechsel vom Rad zum Laufen funktionierte prima. Vor mir lag die Sölktalsperre und Strubschlucht. „So geht’s rauf“ hatte mir Hugo Schwarz (Racebriefing) tags zuvor mit leuchtenden Augen erklärt und mit seiner Hand einen sehr steilen Aufstieg gezeigt. Er sollte Recht behalten, der Anstieg war immens aber ich verstand seine Begeisterung für die Anforderung.
Jeder Schritt brachte mich nun dem Ziel näher. Ab km 5 lief ich bis km 20, wie mit Heiko im Vorfeld besprochen, im Intervall: 800m Laufen und 200m gehen. So brachte ich immer wieder meinen Puls herunter. Stefan supportete mich derweilen unentwegt mit allem was ich brauchte (Getränke, Jacke, Salzstangen, Brötchen) und war immer zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort.
In Aich bei 17,5 Kilometern angekommen ging es, das wusste ich durch die Wegbeschreibung, bis zu den letzten 2 Kilometern nur noch Berg auf zum Ziel. 10 Kilometer musste ich noch alleine bewältigen bevor Stefan mich ab Silberklarklamm zu Fuß bis zum Ziel begleiten würde. Denn ab hier muss verpflichtend mit dem Supporter gelaufen werden.
Obwohl noch 14 Kilometer zu laufen waren hatte ich immer wieder das Gefühl es heute packen zu können. Ich musste es nur in der vorgegebenen Zeit schaffen und dann mit zügigem Schritt weiterlaufen, so würden es Stefan und ich ins Ziel schaffen. Am Anfang joggten wir noch ein wenig. Dies ersetzten wir schließlich durch zügige Laufpassagen. So kamen wir auch gut voran und sparten Kräfte für die letzten 4km. Denn ich wusste die können noch so richtig hart und lange werden.
Die Dämmerung brach ein als wir die Glösalm passierten. Hier wurden wir zum ersten Mal von Crewmitglieder beglückwünscht, obwohl noch nicht angekommen waren, es geschafft zu haben. Mich übermannten die Gefühle. Ich wusste ich stand kurz vor dem Ziel.
Auf den letzten Kilometern verdiente der „Austria Extrem Triathlon“ für mich erneut seinen Namen. Es war dunkel geworden, wir benötigten die Stirnlampen und als hätte die extreme Strömung am Morgen und Gegenwind im Tagesverlauf nicht gereicht fiel jetzt noch eisiger Regen. Es zählte erneut jeder Schritt. Nur nicht unterhalb des Dachsteinmassivs auf den letzten Metern umknicken. Licht für Licht kamen wir so der Südwandhütte näher. Dort angekommen bekamen wir erneut Glückwünsche es geschafft zu haben. Ich konnte es nicht begreifen.
Mein Körper kämpfte sich voran, mein Kopf war nahezu leer. Ressourcen schonen, atmen, gehen. Nur noch über zwei Schneefelder und du bist im Ziel. Ich ging weiter Schritt für Schritt, Stefan an meiner Seite. Für das Ziel wofür ich monatelange Strapazen, einige Schmerzen, Entbehrungen und Zweifel in Kauf genommen hatte. Alles für diesen einen Moment. Den Moment, in dem man nicht nur das Ziel erreicht, sondern sich ein Traum erfüllt. Einen Augenblick, in dem man für alles entschädigt wird, die Quälerei vergisst und nur noch Stolz und Freude empfindet.
Nach 18 Stunden und 13 Minuten stoppte man meine Zeit. Stefan und ich waren im Ziel angekommen. Überglücklich. Mein innerer Frieden war zurück. Ich hatte so eine unheimlich große Distanz mit den Höhenmetern finishen können.
Das Dankeschön
Zu Dank verpflichtet bin ich meinem Trainer Heiko Gerhart, der mir die Trainingspläne schrieb.
Stefan Klemm, der mich als Supporter den ganzen Tag in Österreich begleitet hat und die Zuhausegebliebenen via WhatsApp auf rund um die Uhr auf dem aktuellen Stand hielt.
Robert Keim (Intersport Profimarkt Wolfstetter) für die top Ausrüstung für Wind und Wetter.
Meiner ganzen Familie, die mich immer unterstütze.
Alle, die mich denn ganzen Tag von zuhause Begleitet haben.
Meinen Vereinskollegen vom TVG Ausdauersport Großwallstadt.
Ein großes Danke geht schließlich an dem Veranstalter vom Austria Extrem Triathlon Team und seine Helfer.
Der größte Dank gilt meiner Freundin Mirjam, die mich in den letzten Monaten ertragen musste und die immer an mich geglaubt hat.
Sie alle setzten die Voraussetzung, dass ich meinen Traum erfüllen konnte.