Athletenbericht Yvonne Mauerhoff: Ironman Frankfurt 30.06.2019:
Endlich war es soweit, Sonntag der 30.Juni 2019
Ironman in Frankfurt, ich war bereit oder wie Stefan es ausdrückte heiß wie Frittenfett, für meine letzte Langdistanz.
Rückblick
Genau vor einem Jahr rief mein Mann Maui mich von der Arbeit aus zu Hause an und fragte, ob ich mit ihm 2019 beim Ironman in Frankfurt an den Start gehen würde.
Ich fragte ihn, ob er etwas bekloppt sei, er wisse doch dass ich mit meiner Adduktorenverletzung schon seit der letzten Langdistanz 2016 rumschlage und wie das denn gehen soll einen Ironman zu finishen ohne zu Laufen. Er meinte dann nur, dass ich ja noch ein ganzes Jahr als Vorbereitung hätte und im schlimmsten Fall müsste ich ja nicht antreten. Nach kurzem Überlegen fragte ich ihn Kopf oder Zahl, er nahm die Zahl und ich warf eine Münze; und was lag oben? Natürlich Zahl; sollte das ein Omen sein? OK melde mich an sagte ich zu ihm und schon war ich registriert.
Danach dachte ich wieder „oh Yvi was hast du da wieder gemacht?“. Jetzt musst du schon wieder bei Null anfangen und ich wusste sehr gut von anderen Verletzungen wie schwer es ist wieder da hinzukommen wo man einmal war und noch dazu hatte ich mit Laufen und Radfahren nichts mehr am Hut, war nur etwas im Fitnessstudio um wenigstens was an den Gewichten zu machen.
Sonst haben wir immer im November mit dem Training begonnen, aber dieses Mal konnten wir erst im Januar starten, da wir noch 3 Wochen auf Kuba verbrachten wobei 2 Wochen davon eine Radrundreise war. Das waren dann meine ersten Radkilometer seit langer Zeit.
Im Januar fing dann unser Training an; Maui ließ sich die Pläne von Marco (Schreck) schreiben und ich wollte es erst mal ohne Trainer probieren, aber das haute nicht hin und so fragte Maui Marco ob er mich schwierigen Fall auch trainieren könnte.
Zu Anfang des Trainings musste ich wieder das Laufen lernen, das machte ich auf dem Laufband; immer abwechselnd mal Laufen mal Gehen, es war sehr mühselig und trotz geringen Einheiten war ich immer fix und alle. Da Geduld ja nicht meine Stärke ist hätte ich am Liebsten da schon alles in die Tonne getreten. Ich bekam immer wieder meine „ich schaff das nie mehr Anfälle“ aber Marco und Maui machten mir immer Mut und so arbeitete ich eine nach der anderen Trainingseinheit ab. Irgendwann konnte ich dann mal wieder 40 Minuten am Stück joggen, zwar ganz langsam und mit einem utopisch hohen Puls. Durch viel Dehnen und Behandlungen waren meine Adduktorenschmerzen zwar nicht weg aber etwas weniger; auch half es ungemein, dass wir unsere Räder von Profis einstellen ließen. Jetzt machte das Radfahren wieder richtig Spaß und ich hatte keine Kreuzschmerzen mehr auch der Druck auf die Pedalen war viel besser.
Als ob das nicht genug gewesen wäre mit den Adduktoren so bekam ich noch, wohl durch das viele Training mit Gewichten, Schulterprobleme (Inpingement Syndrom) dazu. Also war das Schwimmtraining auch erst mal auf Eis gelegt.
Ende April Angang Mai waren wir dann mit Herdts im Trainingslager in der Toskana (Norbert hatte sich ja mit Thomas ein paar Wochen später gerade noch rechtzeitig für Frankfurt angemeldet). Edith hatte uns eine sehr schöne Anlage in der Nähe von Piombino ausgesucht.
Es gab dort einen 50 Meterpool und eine kleine Laufstrecke. Am Anfang musste ich mich erst an die teilweise sehr schlechten Straßenverhältnisse gewöhnen aber die Gegend war so traumhaft schön und irgendwann rumpelte ich dann auch über jedes Straßenloch. Die erste Woche war trotzdem sehr hart für mich und ich hatte fast einen Nervenzusammenbruch, da es mal wieder nicht so lief wie ich es mir vorstellte und Maui musste sich jeden Tag den „melde mich ab, ich schaffe es eh nicht mehr“ Satz anhören. In der zweiten Trainingswoche lief es dann wieder etwas besser und ich schöpfte neuen Mut. Vielen Dank auch noch mal an Edith, Norbert und meinem Mann für ihre Geduld und für die unglaublich schöne Zeit in der Toskana, neben dem Training hatten wir auch richtig viel Spaß zusammen.
Leider konnte ich auch nach dem Trainingslager noch keine ganz langen Läufe machen und so waren meine Laufeinheiten auf maximal 25 km beschränkt. Meistens ging es bis km 16 ganz gut dann bekam ich wieder Schmerzen und ich musste einige Läufe abbrechen. Aber wenigstens klappte das mit dem Radfahren wieder ganz gut und Schwimmen konnte ich auch wieder einmal die Woche.
Also dachte ich mir einen Schlachtplan für Frankfurt aus: gut Schwimmen und Radfahren und das Laufen wäre halt dann eine Wundertüte; schön wäre es bis km 20 – 25 zu kommen. Wenn ich das schaffen würde, hätte ich immer noch genügend Zeit das Rennen gehend, vor dem Cut off, zu Ende zu bringen (Mauis Worte). Mir war auch klar, dass ich die tollen Zeiten der letzten 4 Langdistanzen auch nicht mehr schaffen würde, aber ich wollte wenigsten einen versöhnlichen Abschluss.
Als wir aber dann eine Woche vor dem Wettkampf die Wetterprognosen für Sonntag sahen, verabschiedete ich mich schon mal von einer guten Zeit. Ich bin keine Hitzeläuferin und es sollten bis zu 38 Grad an diesem Tag werden. Trotzdem freute ich mich aber auf den Wettkampf, denn wir waren 5 Starter aus Großwallstadt und wollten danach ordentlich Party machen.
Sonntag, 30.06.2019 der Wettkampftag
Kurz vor 3 Uhr nachts klingelte unser Wecker. Ich hatte ganz gut geschlafen und war top fit.
Um 4:15 Uhr trafen sich alle bei uns und wir fuhren gemeinsam Richtung Langener Waldsee.
Leider waren wir dieses Jahr etwas später dran und so standen wir auf der Straße zum See im Stau; was dazu führte dass es etwas hektisch in der Wechselzone wurde. Auch waren vor den Dixi-Häuschen Riesenschlangen und so musste ich unverrichtete Dinge an den Schwimmstart gehen. Als die Nationalhymne gespielt wurde bekam ich mal wieder eine Gänsehaut und auch das Klatschen, das die Isländer immer machen war eine tolle Sache; ich muss schon sagen, dass die Atmosphäre am Langener Waldsee immer „geil“ ist.
So noch ein Kussi von meinem Mann und dann ging unser Rollingstart (Neoprenverbot inklusive, das Wasser hatte 26 Grad) los. Die ersten 500 Meter war ich nur am Überholen, ich hätte am liebsten jedem eins auf die Mütze gehauen. Da gibt es schon extra Boxen für die Schwimmzeiten und dann stellen sich die Leute auch noch in Zeiten die sie gar nicht schwimmen können. Irgendwann hat mich das so genervt und ich bin nach rechts außen geschwommen. So hatte ich wenigstens meine Ruhe und ich konnte ganz entspannt an den Schwimmausstieg schwimmen. Meine Zeit war jetzt nicht der Knaller, aber dafür war ich ganz erholt und freute mich aufs Radfahren. Aber da war ja noch was! Ich musste dringend aufs Klo und so steuerte ich direkt auf ein Dixi zu. Das Erste war total verschissen und beim Zweiten war es auch nicht viel besser, aber mir blieb nichts anderes übrig. Ich kann gar nicht sagen wie ekelig das ist, barfuß da rein zu gehen, am liebsten hätte ich gekotzt.
Nach 11 Minuten Wechselzeit schnappte ich mir mein Rad und freute mich auf die zwei Radrunden. Das Radfahren machte echt Laune, ich hatte tolle Beine und ich wollte versuchen mir ziemlich lange die Jungs vom Leib zu halten. In Friedberg zwickte mir doch einer von Hinten in meinen Po; und da war er schon mein Mann!!! Super dachte ich mir, da werden der Norbert und Thomas auch gleich kommen. Als es in Frankfurt in die 2. Runde ging waren sie immer noch nicht da und da war ich schon etwas stolz auf mich und wenn ich so weiter fuhr könnte ich die Strecke in 6 Stunden schaffen. Ich war immer noch fit und hatte gute Beine allerdings nur bis km 120. Von da an wurde es so richtig heiß auf der Strecke, mir war schlecht und ich bekam kaum Luft. Zudem konnte ich nichts mehr essen was dazu führte, dass ich kaum noch Kraft hatte. Jede Wasserstation, jeder Wasserschlauch auf der Strecke war mir und ich versuchte mich runter zu kühlen. 65 km überlegte ich mir ob es Sinn macht weiter zu fahren. Die Luft wurde immer dünner und ich dachte zum ersten Mal an meine Gesundheit. Noch dazu lagen am Straßenrad ganz viele Athleten die medizinisch versorgt wurden, manche schafften es noch nicht mal mehr auszuklicken und fielen einfach um. Ich fuhr dann mit geringerer Geschwindigkeit Frankfurt entgegen. In Bad Vilbel am Berg angekommen war die letzte Getränkestation und da hielt ich erst mal an um mich mit Wasser zu überschütten und was zu trinken. Dort standen auch ganz viele im Schatten denen es auch so ging wie mir. Regina eine sehr nette Athletin versuchte mich dann auch aufzumuntern und meinte ich sollte mit ihr langsam nach Frankfurt reinrollen und dann würden wir uns erst mal ins Wechselzelt setzen und dann entscheiden wir, ob wir das Rennen beenden. Regina fuhr dann schon los aber ich musste erst noch meinen Körper runterkühlen. Eine nette Helferin sprach mir dann auch noch Mut zu; ich sollte mir doch die Finisher-Medaille holen. Da setzte ich mich wieder auf mein Rädchen und strampelte los. In der Wechselzone traf ich dann Guido von der TSG der mich ganz mitleidig anschaute, er nahm mir mein Rad ab und ich setzte mich erst mal ins Zelt. Normalerweise ist es in den Zelten eher hektisch aber als ich ankam waren alle sehr ruhig und jeder ließ sich Zeit; kein Wunder bei dieser Affenhitze. Als ich meine Laufschuhe anzog fragte ich mich immer wieder ob es überhaupt Sinn macht zu Laufen. Mit meiner Luft war es nicht wirklich besser geworden, tief ein und ausatmen war nicht möglich, da brannte die Lunge, aber probieren könnte ich es ja aber halt ganz langsam und aufhören könnte ich ja auch jeder Zeit. So trabte ich auf die Laufstrecke. Gleich am Wechsel standen Sina und Sandra und feuerten mich an und bei km 1 war das erste Supporterteam mit Edith und Karina, bei km waren Michi und Patrick und bei 7 Michele, Jutta, Bianca und Wolfgang. An dieser Stelle noch einmal Tausend Dank an euch, was ihr an diesem Tag geleistet habt kann man nicht mit Gold aufwiegen!!!!! Die erste Runde lief noch einigermaßen gut für mich, ich lief langsam und blieb an jeder Verpflegungsstation stehen um mich zu versorgen und runter zu kühlen. Leider half das genau 1 Minute danach war alles wieder heiß. Bei Km 12 kam dann das was ich befürchtet habe, nämlich ganz arge Knieschmerzen, da half leider auch kein Eisspray das mein Supporter für mich bereit hielten. Zu allem Übel bekam ich dann auch noch, durch meine patsch nassen Schuhe bedingt, Blasen an den Füßen. Ich versuchte zwar immer wieder anzulaufen aber die Schmerzen ließen es nicht lange zu und irgendwann weiß man dann auch nicht mehr was mehr weh tut; noch dazu musste ich ganz oft Pipi machen. Und da passierte mir dann auch was Witziges: Da von zwei Dixis mal wieder eines ganz ekelhaft war nahm ich das Zweite, das man leider nicht abschließen konnte. So passierte das was passieren musste. Ein Windstoß riss die Tür auf und ich stand da in meiner ganzen Pracht. Darauf hatte Frankfurt gewartet mal einen Nackarsch aus Großwallstadt zu sehen. Auch wenn mir zu diesem Zeitpunkt so gar nicht zum Lachen war tat ich es trotzdem.
Auf meiner Wanderreise wurde ich von vielen Leidensgenossen begleitet, denn die meisten waren nur noch am Gehen. Manche habe zwar immer noch mal probiert anzulaufen, aber mit meinem schnelleren Walkingschritt (oder auch Stechschritt wie es mein Mann immer nennt), holte ich die meisten wieder ein. Leider sah man auch ganz viel Elend an der Strecke, andauernd wurde ein Athlet nach dem anderen mit dem Krankenwagen abtransportiert. Irgendwann überbrachte mir Bianca eine Nachricht meines Sohnes Fabio; er würde sich große Sorgen um mich machen und ich sollte doch das Rennen beenden. Da sagte ich zu ihr er hätte wohl mehr Angst dass zu Hause die Küche kalt bleibt.
Irgendwann auf meinem Pilgerweg traf ich Dieter aus der Pfalz. Wir motivierten uns gegenseitig und so beschlossen wir uns diese blöde Finisher-Medaille und Shirt im Ziel abzuholen.
Wenn man so lange auf der Streck ist gehen einem viele Gedanken durch den Kopf; bei meinen letzten 4 Rennen war ich um diese Zeit schon geduscht und auf dem Heimweg und ich bedauerte die Athleten die sich noch auf der Strecke durchquälten; und diese Jahr war ich einer von ihnen. Auch mal eine Erfahrung die man machen kann.
So richtig froh war ich dann, als ich das letzte Bändchen bekam und nur noch 4 km bis zum Ziel hatte.
Ich wollte nur noch ins Ziel und so motivierte ich Dieter 1 km davor noch mal zu laufen. Wenn man die Finishline Richtung Römer hochläuft da hat man auf einmal keine Schmerzen mehr. Die Zuschauer feuern dich lautstark an, klatschen dich ab und man läuft mit einer rießigen Gänsehaut ins Ziel.
Endlich hatte ich es geschafft, ich bekam die Medaille um den Hals gehängt und wurde von meinem Mann Maui, Norbert, Thomas und Stefan freudestrahlend empfangen. Das war ganz toll für mich, denn wir alle hatten diesen Wahnsinnstag gesund gefinished.
Es war zwar mein schlechtester Wettkampf ever und viele trauten mir so was auch nicht mehr zu; aber was Gutes hatte es dennoch, ich habe wieder Spaß am Sport gefunden und wenn die Knie nicht mehr für lange Wettkämpfe halten so gibt es ja Alternativen!
Herzlichen Dank an alle, die mich an der Strecke pushten, die im Chat mit mir fieberten und mit mir litten, den Supportern für die unschlagbare Betreuung, meinen Trainingspartner und vor allem meinem Mann, der immer an mich glaubte!